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Guadalupe Ruiz

«Le classeur»
17. März bis 28. April 2022
Vernissage: Mi. 16. März | 18–20 Uhr

Im Kunstraum Satellit realisiert Guadalupe Ruiz die Installation «Le classeur» mit Fotografien aus ihrer prozesshaft angelegten Bildersammlung. Guadalupe Ruiz arbeitet seit mehreren Jahren mit Bildinventaren, die sie zu Enzyklopädien zusammenfasst. Dieses Vorgehen hat sie entwickelt, um die Welt, die Gesellschaft und ihre unmittelbare Umgebung verstehen und einordnen zu können.

An die Wand geklebte Plakate dokumentieren die liebevoll gebastelten Objekte ihres Sohnes Octavio, die im ersten Semester im Kindergarten entstanden sind. Eines davon stellt einen schiefen Berg aus zusammengeklebten Petit Suisse Frischkäse Schachteln dar. Durch die Umsetzung, der präzisen und sachlichen Schwarzweissfotografie, bekommt das kindliche Werk eine Ernsthaftigkeit und entwickelt eine skulpturale Kraft.

Der Ordner ist eine genial-einfache Erfindung – ein Stück gefalzter Karton mit fixierten Metallbügeln. Er ermöglicht das Sammeln und Ordnen von Unterlagen, und durch die Kapitel bestimmt man sein eigenes Ordnungssystem. Die Ausstellung «Le classeur» von Guadalupe Ruiz ist eine Hommage an das Ordnen, Betrachten, Nachdenken und an das Sammeln. In ihrem Werk ist die Strukturierung der Kapitel, die Auswahl und Abfolge der Bilder genauso relevant wie die Fotografie selbst.

Das Ausgangsobjekt, «der Ordner», hat Guadalupe Ruiz nach ihren eigenen Angaben in der Firma Biella anfertigen lassen, der einzigen Firma in der Schweiz mit dem Produktions-Patent. Die Masse sind nicht im üblichen Din-A4- sondern im US-Letter-Format und die Fassung ist ein 3-Loch-System. Die Papierauskleidung auf der Innenseite hat sie in einem hellen Blau definiert und diese Hintergrundfarbe umrahmt auf eine perfekte Weise ihre eingeordneten fotografischen Blätter sowie Foto- oder Laserkopien und Offsetdrucke.

Mit einer ähnlichen Intention realisiert Ruiz auch eigene Möbel. Ein Projekt, in dem sie die eigenen Möbel nachbauen lässt oder selber baut. Wie z.B. Bücherregale, ein Spielzeug-Pult von Ikea, das sie in Real-Masse vergrössert produziert, oder der Nachbau ihrer grossen Ateliertüre. Die Reproduktion hat wiederum eigene Regeln, mit minimalen gestalterischen Entscheidungen unterscheiden sich die «Objekt-Kopien» auf subtile Weise, durch leichte Veränderung der Masse, der Verwendung anderer Materialien oder einer neuen Farbgebung. Eine Abbildung ist also nie das Original.

Vielen Kapiteln im Ordner ist das Interesse einer mehrstufigen Um- und Übersetzung gemein. Es handelt sich mehrheitlich um Sujets oder Objekte, die bereits einen Transformationsprozess durchlaufen haben. Wie bei den sorgfältig ausgesuchten Trouvaillen aus Brockenhäusern, relevanten Gegenständen aus dem eigenen Umfeld, Zeichnungen und Bastelarbeiten von ihrem Sohn oder den Möbel-Replikas. Dieser Fundus wird durch die Fotografie, den Offsetdruck oder die Kopie wiederum reproduziert und so auf eine gemeinsame Ebene gebracht. Die dabei entstandenen Bilder werden schliesslich in Kapitel unterteilt und in den Ordner abgelegt.

CV
Guadalupe Ruiz ist 1978 in Bogotà geboren, lebt und arbeitet in Biel/Bienne. 1996 kam sie für das Kunststudium in die Schweiz. Sie studierte an der ECAL, Lausanne, der HGKZ, Zürich und erwarb 2019 einen Master in Fine Arts an der FHNW, Basel. Sie hatte Einzelausstellungen im Photoforum Pasquart und Lokal-int, Biel/Bienne, Centre de la Photographie, Genf, Grand Palais, Bern, sowie internationale Ausstellungen.
2018 erscheint «Lupita, je garde un abricot pour toi dans l’abricotier. Je lui ai dit de t’attendre», in dem sie ihrem Sohn von ihrem Heimatort erzählt.
2015 hat sie das vielbeachtete Künstlerbuch «Kleine Fotoenzyklopädie» im Selbstverlag herausgegeben.
Aktuell arbeitet sie am Projekt: JE.

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