Skip to main content

Peter Wüthrich

«Peter Wüthrich & seine Freunde»
Vernissage: Do. 27. Mai | 18–20 Uhr
28. Mai bis 15. Juli 2021

Von Mai bis Juli verwandelt sich der Kunstraum Satellit in eine temporäre Volière – jedoch nicht für Vögel, sondern für die Freunde des Künstlers Peter Wüthrich: für Bücher. Sich auf Holzbalken niederlassend oder auf dem Boden hinsetzend, beobachten sie von dort aus durch die Glasfront des Kunstraums die Betrachter*innen und das rege Treiben am Guisankreisel. Es ist das Medium Buch als Wissensspeicher und kulturelles Gedächtnis, welches der regional verankerte und international bekannte Künstler seit den 1990er-Jahren immer wieder neu aufgreift und inszeniert.

Aufmerksame Bewohner*innen
Eine Volière ist ein Vogelgehege, in dem Vögeln das Fliegen in kurzen Distanzen ermöglicht wird. Wie in vielen urbanen Räumen befindet sich auch in Thun seit 1981 eine solche Anlage, unweit vom Kunstraum Satellit unterhalb des Flussbades Schwäbis. Den Spaziergänger*innen bietet sie eine beliebte Attraktion, stets begleitet von einem unüberhörbaren Gezwitscher. Im Gegenzug zu diesem stets lebendig erscheinenden Ort dominiert eine Stille in Wüthrichs temporären Volière: Anstelle der herumflatternden Tiere lassen sich auf Holzbalken oder auf dem Boden ruhende Bücher erkennen. Dennoch wirken die Objekte nicht statisch, sondern wie aufmerksame Bewohner*innen, die bei näherem Herantreteng gar aufflattern oder davonfliegen könnten. Peter Wüthrich kreiert im ehemaligen Kiosk eine spannungsgeladene Szenerie, die neben den zooartigen Vogelkäfigen auch Assoziationen zum Treiben der Krähen aus dem Grabengut oder zu Szenen aus Alfred Hitchcocks Film «Die Vögel» (1962) zu wecken vermag.

Neue Geschichten
Für den Künstler ist das Buch kein totes Motiv, sondern stets Zeuge von kulturellen und gesellschaftlichen Belangen einer bestimmten Epoche. Als Wissensspeicher oder kulturelles Gedächtnis halten sie fest, was über Generationen hinweg sonst vielleicht in Vergessenheit geraten könnte. Vieles, was wir in alten Büchern lesen, mag für das aktuelle Zeitgeschehen nicht mehr stimmen oder bedarf einer neuen Interpretation und Einschätzung. So verweist uns das Geschriebene im Buch auch immer darauf, dass wir Menschen – stets in der Versuchung die Welt zu kategorisieren und einzuordnen – in erster Linie vor allem Geschichtenerzähler*innen sind. Obwohl die Bücher im Kunstraum Satellit aufgeschlagen sind, bleiben Titel und Inhalt verborgen. Welche Narrativen sie beherbergen wird der Imaginationskraft der Betrachter*innen überlassen. Der literarische Wert eines einzelnen Buches bleibt im Verborgenen und die Erzählung einer neuen Geschichte rückt in den Vordergrund.

Vögel fliegen – Kunst beflügelt
Peter Wüthrich bezeichnet die Bücher als seine Freunde – eine Haltung, die in vielen seiner Buch-Arbeiten zu erkennen ist. So scheinen die Bücher im Kunstraum zwar eine auflauernde Haltung einzunehmen, doch anders als die Vögel in Hitchcocks Horrorfilm steht nicht die daraus einhergehende Gefahr im Zentrum. Vielmehr erkennt der Künstler in ihnen ein grosses Potenzial: Bücher ermöglichen uns nicht nur unsere Vorstellungskraft anzuregen, sondern das darin festgehaltene produzierte Wissen kann darüber hinaus weiter Antrieb sein, um die Realität aktiv mitzugestalten und zu transformieren. So schafft es Wüthrich mit seiner Installation im Kunstraum Satellit uns daran zu erinnern, dass es sich lohnt, immer mal wieder eine Vogelperspektive einzunehmen: über das abgesteckte Feld der Wahrnehmung – oder über den eingeschränkten Flug- und Denkraum einer Volière – hinausfliegend den Horizont zu erweitern. Denn, wer sich beflügeln lässt, hebt leicht ab, schrieb einst die Fotografin und Lyrikerin Almut Adler.

Buch als Medium
Das Buch als literarisches Medium greift Peter Wüthrich seit den 1990er-Jahren auf und transformiert es in unterschiedliche Installationen sowie in fotografischen Arbeiten. Innerhalb seiner auffallend konsequenten Behandlung des Sujets ist seine Haltung gegenüber dem Motiv eine offene. Zu Beginn seiner künstlerischen Laufbahn ist es vor allem die Analogie von Buchdeckel und monochromer Leinwand, mit denen der Künstler an Bekanntheit erlangt. Seine konzeptuelle Haltung verbindet er damit stets mit einer emotionalen Arbeitsweise.

CV
Peter Wüthrich (*1962 in Bern, lebt in Interlaken und arbeitet in Oberdiesbach) absolvierte eine Lehre als Grafiker in Bern und beginnt dabei mit dem Malen. 1991 kreiert er seine ersten Installationen mit dem Medium Buch, die er in Brockenhäuser findet und widmet sich fortan ausschliesslich diesem Motiv. Es folgen Ausstellungen im Kunstmuseum Thun und in der Kölner Galerie Jule Kewenig um 1992 sowie Einzelausstellungen u.a. im Suermondt Ludwig Museum Aachen, im Kunstmuseum Solothurn, in der Kunsthalle Mannheim oder im Espace d0Art Contemporain, Paris. Zur internationalen Anerkennung seiner Werke tragen auch die Galerien Laure Genillard, London (ab 1999), ACE, Los Angeles und New York (ab 2001), und Christian Stein, Mailand (ab 2001) bei.

peterwuethrich.ch